Am 24. Februar 2023 starteten wir unter der Überschrift „Zukunftsszenarien“ in unsere diesjährige Veranstaltungsreihe „Get Transformation Done – Strategic Challenges“. Diesen Freitagnachmittag durften wir bei und mit der Firma Rudolf Ölz Meisterbäcker in Dornbirn gestalten, wofür wir uns an dieser Stelle recht herzlich bedanken. 

Das Kennen der Rahmenbedingungen 

Mit „Zukunftsszenarien“ wollten wir gemeinsam mit unseren Referenten und Teilnehmern eine Standortbestimmung durchführen, skizzieren, was im Moment um uns herum passiert und sehen, wie sich diese Entwicklungen auf uns und unsere Unternehmen auswirken. Um diesen Blick zu ermöglichen bzw. den Einstieg in den Tag zu erleichtern, begann Bernd Postai die Veranstaltung mit einigen einleitenden Worten und unterstreicht die Bedeutung der Untersuchung von Rahmenbedingungen und warum ein systematischer Blick für die Einschätzung der aktuellen Situation erfolgsentscheidend sein kann. „Ob und wie schnell ein Segelboot vorankommt, hängt wesentlich mehr vom Wind ab als von der Größe des Segels.“ Für diese Umfeldanalyse der externen Einflussfaktoren zieht er die PESTEL-Analyse heran, die eine Einordnung und Bewertung der Rahmenbedingungen ermöglicht, wobei eine eindeutige Zuordnung mitunter nicht mehr ganz so einfach ist. Einer Standortbestimmung kann man damit jedenfalls ein Stück näherkommen, auch wenn der „Schwarze Schwan“ oft aus der Richtung kommt, in die wir nicht geblickt haben. Daher hilft es, den „Kopf öfter zu drehen!“ und somit auch einer der größten Herausforderungen für Unternehmen entgegenzuwirken – der „Veränderungsblindheit“. 

Gesagt getan. Im anschließenden Warm-up wurden die ca. 50 Teilnehmenden (aus 22 verschiedenen Unternehmen) in sieben Gruppen unterteilt. Gemeinsam ordneten sie, die für sie wichtigsten Fragen bzw. Herausforderungen der Zukunft zu Faktoren zu. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass Herausforderungen in jedem Bereich, also Politik, Technik, Recht, Ökologie, Ökonomie und Soziokultur gesehen werden. Die meisten wurden an diesem Tag jedoch den politischen, ökonomischen und sozio-kulturellen Faktoren zugeordnet und beinhalteten folgende Schlagworte: Geopolitik/ globale Konflikte und ihre Auswirkungen, Demokratie vs. Autokratie, Entwicklung und Verantwortung der EU, Energiepreise und ihre Verfügbarkeit, öffentliche Verschuldung und Stabilität des Geldsystems, Wettbewerbsfähigkeit der Regionen, Fachkräfte im globalen Büro, Überalterung, Arbeiterlosigkeit, remote work und Work-Life Balance. 

Vorhersehbar vielfältig – Zukunft als Träger unserer Geschichte verstehen 

Wie also mit diesen Herausforderungen der (ungewissen) Zukunft umgehen? Um den Antworten auf diese Frage ein Stück näher zu kommen, haben wir Dr. David Bosshart aus der Schweiz zu uns eingeladen. Er ist Futurist, Philosoph, Retail & Consumer Analyst, Autor, CEO GDI des Gottlieb Duttweiler Institute for Economic & Social Studies 1999-2021 und Gründer von Bosshart & Partners. Seine Schwerpunkte sind Megatrends und Gegentrends in Wirtschaft und Gesellschaft, die Zukunft des Konsums und des Handels, Widersprüche der Globalisierung und politische Philosophie, Management und gesellschaftlicher Wandel. Er ist Präsident der Duttweiler Stiftung. Das GDI ist ein internationales Lehr- und (Trend-) Forschungsinstitut und gilt heute als erste Denkfabrik der Schweiz. Dr. David Bosshart hat sich in seinem Vortrag „Vorhersehbar unvorhersehbar – wie wir mit Zukunft umgehen“ der Zukunft vor allem aus der (weiter zurück liegenden) Vergangenheit angenähert.  

Um unsere Zukunft zu verstehen, sollten wir uns als Akteure dieser Zukunft und als Träger unserer Geschichte verstehen. Wir müssen dabei einen Blick in die Vergangenheit wagen und dabei insbesondere (Prozess)Schritte von Entwicklungen verstehen (von der Vision zum Prototyp, hin zur sozialen Akzeptanz am Massenmarkt). Einige Durchbrüche der heutigen Zeit basieren auf bekannten Ideen (vgl. Kindle oder Google Glasses). In welchem Zeitraum haben wir also in Bezug auf unseren Wohlstand die meisten Fortschritte gemacht? Die größten Entwicklungen wurden diesbezüglich in den Jahren 1780-1980 vollzogen. Das sind die Fakten. Nur haben „Fakten gegen Gefühle keine Chance.“ Wir ignorieren die Vergangenheit, weil wir mit der Gegenwart mehr als beschäftigt sind, sie ist omnipräsent – alles passiert jetzt und vor allem es passiert schnell. „Ephemeralität“ ist das Schlagwort unserer Tage. Einzig aus diesem Momentum heraus langfristige Zukunftstrends abzuleiten, widerspricht dem Prozess von Entwicklungen. Ein Prozess benötigt etwas Andauerndes, etwas, dem Zeit gegeben wird. Wir dürfen nicht vergessen, dass mit KI und der Verfügbarkeit riesiger Datenmengen auch unser Problembewusstsein größer geworden ist und damit einhergehend auch unsere Unsicherheit. Wir fühlen uns ohnmächtig, aber zumindest informiert. Einige „steigen aus“, so kann die Entstehung von Kryptowährung als Exit von Banken, Social Media als Exit von klassischen Massenmedien und Homeoffice als Exit von 9 to 5 Work betrachtet werden. Menschen verlassen Institutionen und treten mitunter ganz aus der Wirklichkeit aus und ins Metaverse ein. 

Welche Innovationen könnten heute also unser Leben noch verbessern, anstatt es „einfach nur bequem“ zu machen? Haben wir den Peak an Wohlstand bereits erreicht? Wachstum wird es immer geben, aber welche Art von Wachstum streben wir an, das Wohlstandswachstum oder das Wohlfahrtswachstum? Die Demographie wird heute in jeder Antwort eine Schlüsselrolle spielen, denn es wird kein Wachstum geben, wenn wir nicht auch an die politische und ökonomische Unterstützung älterer Menschen denken. Es wird also darum gehen, neben den materiellen Ressourcen auch Ressourcen wie Gesundheit, Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit als solche zu begreifen. Wir müssen beim Wachstum ebenso die Schonung mitdenken; das richtige Maß finden. Wohlfahrtswachstum?! Hier stehen wir an einem Wendepunkt und müssen aus der Mausperspektive auch hin und wieder in die Vogelperspektive wechseln, denn wie ambitioniert sind wir für Transformation, wenn wir uns in unsere warme und bequeme Decke des Wohlstands einkuscheln. An diesem Punkt sind wir wieder bei der Bedeutung der Untersuchung der Rahmenbedingungen angelangt. Für ein erfolgreiches Unternehmen gilt es immer wieder den Blick zu heben, den Wandlungsbedarf zu erkennen, die Wandlungsbereitschaft täglich zu leben und sich die Wandlungsfähigkeit anzutrainieren. Zukunftsgestaltung ist proaktiv, nicht reaktiv. Die Beantwortung der „Know-why-Frage“ ist hierbei ein zentrales Element und wird zum motivationalen und organisatorischen Leistungsvorsprung von Unternehmen beitragen. Warum gehen die Menschen auf die Arbeit und was ist ihr Antrieb?  

Sich im täglichen Geschäft die Zeit zu nehmen, die „Know-why-Frage“ überhaupt zu stellen, stellt für viele schon eine Herausforderung dar. Nicht immer ist die Antwort die, die man gerade hören möchte. Daher sind es starke Nerven und eine starke Vorstellungskraft, die in den Werkzeugkoffer einer jeden Unternehmensführung und die ihrer Führungskräfte gehören. 

„Erst wenn es ein Unternehmen schafft, die Geschwindigkeit von Veränderung selbst zu erzeugen, wird es zum Akteur“ 

Wie gehen andere Unternehmen in Österreich mit dieser Ausgangslage um? Für diesen Blick haben wir Heimo Hammer aus Wien zu uns eingeladen. Heimo Hammer ist Gründer und Geschäftsführer der Digital- und Werbeagentur „kraftwerk“ sowie des Fast Forward Forums. Schwerpunkte von kraftwerk sind u.a. Marken- und Strategieberatung, 360° Grad Fullservice, Umsetzung von Websites und eCommerce Solutions sowie Data, Content & Programmatic. In seinem Vortrag „Erfolgreich in turbulenten Zeiten, Beispiele aus Leitbetrieben in Österreich“ hat er Beispiele aus seinem Berateralltag und den Werkzeugkoffern seiner Kunden mitgebracht. Ausgangspunkt seines Vortrags war das Bild einer Insel. Eine Insel, auf der wir alle schon mal waren und für die wir uns Zeit genommen haben. Die Strategieklausur. Doch was passiert, wenn wir von dieser Insel frisch aufgetankt und mit neuen Ideen zurückkehren? Wie lange wirken die Ziele unserer Klausur nach und wie lange können wir an ihrer Umsetzung festhalten? Je nachdem. Die Botschaft von Heimo lautete im Prinzip, die Elemente dieser Inselerfahrung auch im Arbeitsalltag zu verankern und Bedingungen zu schaffen, durch die wir uns weiterhin befähigt und energiegeladen, sprich motiviert fühlen das gemeinsame Ziel zu erreichen. „Culture eats strategy for breakfast“ – es geht also um die Kultur im Unternehmen. Die Antwort auf die „Know-Why-Frage“ ist zentrales Element dieser. Doch die Träger der Unternehmenskultur sind die Menschen, die von dieser Frage durchdrungen, unsere Produkte und/ oder Dienstleistungen herstellen. 

Neben der Zeit, die sich Unternehmen also für die Erarbeitung einer Strategie nehmen, müssen sie viel Zeit in die Menschen investieren (wollen!), die diese Strategie letztlich umsetzen. Insbesondere vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels wird dies allmählich und mitunter schmerzlich bewusst. Nachdem man die Menschen für sein Unternehmen gewonnen hat, gilt es sie zu befähigen und ein Umfeld zu kreieren, in dem sie wirken können und wollen. In diesem Umfeld ist es dann auch möglich, gemeinsam auf Veränderungen zur reagieren. Es gibt zwei Geschwindigkeiten von Veränderung. Die Geschwindigkeit, die von äußeren Rahmenbedingungen vorgegeben wird und die Geschwindigkeit, die man innerhalb des Unternehmens erzeugt. Erst wenn es ein Unternehmen schafft, die Geschwindigkeit selbst vorzugeben, kann es zum Akteur werden. Ein zusätzlicher und gewünschter Nebeneffekt ist die Strahlungswirkung. Jeder Mensch, der sich in einem Unternehmen wohlfühlt, wird dazu beitragen, dass andere Menschen mit ähnlichen Werten dazu kommen und bei der Strategieumsetzung helfen. 

Kräfte bündeln und Fokussieren, Wichtiges von Unwichtigem wieder unterscheiden 

Auch in der anschließenden und den Nachmittag abschließenden Podiumsdiskussion wird deutlich, wie stark die aktuellen Herausforderungen der Unternehmen in Vorarlberg mit den Menschen bzw. ihrer Abwesenheit zusammenhängen. Auf das Podium eingeladen haben wir Jimmy Heinzle (WISTO), Michael Grahammer (BDO Corporate Finance), Sylvia Casagranda (Ivoclar) und Manuel Philipp (Rudolf Ölz Meisterbäcker). Gemeinsam haben sie Herausforderungen, aber auch Lösungsansätze diskutiert, wobei sich die Teilnehmenden im Publikum an diesem Austausch sehr aktiv beteiligt haben. Das Spektrum der Themen war – wie die Besetzung des Podiums – breit gefächert. Als gemeinsame Herausforderung hat sich, wie bereits erwähnt, der Fachkräftemangel herauskristallisiert. Fachkräfte sind Mangelware. Hierbei werden nicht nur die fehlenden Anreize, sondern auch die Verhinderung von Zuwanderung und die fehlenden Perspektiven für junge Menschen besprochen, sei es durch erlassene Verordnungen (z.B. KIM-V) aber auch durch fehlende Attraktivität des Standortes. Wobei vermutlich niemand, der in Vorarlberg bereits lebt, die Attraktivität anzweifeln würde. Vielmehr geht es darum, die Vorteile der Region herauszuarbeiten, für internationale Fachkräfte, aber auch für Vorarlberger, die woanders studieren und hier mit ihrer Familie leben und sesshaft werden wollen. Unternehmen können daher ebenfalls Druck auf Politik und Interessensvertretungen ausüben, müssen sich aber auch der Herausforderung stellen, dass viele der Fachkräfte durch die Möglichkeit „remote“ zu arbeiten, abgeworben werden. Insofern gilt es die Möglichkeiten der Arbeitsweisen zu überdenken und sich ein Stück weit neu aufzustellen. Eine Herausforderung kommt selten allein und Umstrukturierung braucht Zeit, Ausdauer und nicht zuletzt finanzielle Mittel. Inmitten dieser Entwicklung kehren einige der Unternehmen daher zur Fokussierung und Verdichtung zurück. Sie bündeln ihre Kräfte, sortieren Wichtiges von Unwichtigem im Kerngeschäft und verdichten die daraus folgenden Maßnahmen. Hierbei entsteht im besten Fall der so dringend benötigte Raum für die längst überfällige Neuausrichtung anhand der Rahmenbedingungen, die uns umgeben. 

Weitere Informationen

Weitere Informationen zu unserer Veranstaltungsreihe und zur Anmeldung zu unserer nächsten Veranstaltung finden Sie auf unserer Homepage:

https://get-transformation-done.net/

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!