Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Wirtschaft

Wir alle spüren die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie tagtäglich. Geschäfte sind geschlossen, die meisten von uns arbeiten von zu Hause aus und viele Unternehmen mussten aufgrund einbrechender Nachfrage Kurzarbeit anmelden. Doch die Frage nach den langfristig wirtschaftlichen Konsequenzen bleibt vorerst noch unbeantwortet.

Unter dem Titel „Poesis Diskurs“ diskutierten wir letzte Woche virtuell mit Unternehmern verschiedenster Branchen gemeinsam über mögliche Antworten. In Form eines Proseminars haben wir Artikel des Harvard Business Review und des deutschen IFO-Instituts aufbereitet und deren Inhalte besprochen. Die Autoren der beiden Artikel befassen sich dabei insbesondere mit möglichen Szenarien der wirtschaftlichen Entwicklung und treffen Einschätzungen auf Basis früherer Pandemien und rechnerischer Modelle.

Grundsätzlich lässt sich nach den Autoren eine Rezession, zu der auch die aktuelle Krise höchstwahrscheinlich führen wird, in eines von drei möglichen Szenarien kategorisieren: Das V-, U- oder L-Szenario.

Das V-Szenario

Ein tiefes V-Szenario ist laut Autoren des Harvard Business Review im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen wohl das Wahrscheinlichste. Es beschreibt einen initialen Einbruch des Wirtschaftswachstums, der durch das Anziehen der Wirtschaft nach Aufhebung der Maßnahmen und eine entstehende „Überproduktion“ zu einer starken Wiederbelebung führt, siehe Abbildung 1. Ein kurzer Einbruch der Wirtschaftsaktivität könnte somit rasch wieder aufgeholt werden.

Auch frühere Pandemien und Epidemien verliefen meist nach diesem Schema, beispielsweise in Folge des Ausbruchs von SARS im Jahre 2002 (siehe Abb. 2) oder der asiatischen Grippe 1958.

Das U-Szenario

Das U-Szenario gilt ebenfalls als plausibel und dient auch den Autoren des IFO-Artikels teilweise als Grundlage für ihre Berechnungen. In einem solchen Entwicklungsverlauf erholt sich die Wirtschaft nach einem initialen Einbruch recht rasch wieder, das Wirtschaftswachstum steigt in absehbarer Zeit auf ein Vor-Krisen-Level (siehe Abb. 3).

L-Szenario

Das L-Szenario stellt die düsterste Prognose dar: Nach einem initialen Einbruch erholt sich die Wirtschaft nur langsam wieder; ein Vor-Krisen-Level des Wirtschaftswachstums wird auf unmittelbare Sicht nicht erreicht (siehe Abb. 4).

Einschätzung der Diskussionsrunde

Im Gegensatz zu den Autoren gehen unsere Teilnehmer eher von einem U- beziehungsweise L-Szenario aus. Dafür nennen sie unterschiedlichste Gründe, insbesondere die extremen Verwerfungen in vielen Industrien kommen immer wieder zur Sprache. So wird beispielsweise der Tourismus, der in Österreich rund 15% des BIP ausmacht, wohl am längsten von den Maßnahmen der Regierungen betroffen sein. Die meisten Teilnehmer gehen dabei von einer recht langen Post-Shutdown-Phase aus, bis sich das Wirtschaftswachstum wieder auf ein Vor-Krisen-Niveau erholt hat. Manche nennen hier Zahlen von bis zu einem Jahr, unter der Bedingung, dass kein Impfstoff gefunden wird.

Die volkswirtschaftlichen Kosten der Krise

Unter dem Titel „Die volkswirtschaftlichen Kosten des Corona-Shutdown für Deutschland: Eine Szenarienrechnung“ haben sich die Autoren des IFO-Instituts intensiv damit beschäftigt, den finanziellen Einfluss der Krise zu beziffern. Durch die Annahme verschieden hoher Produktivitätsverluste während des Shutdowns in Kombination mit der Dauer der Post-Shutdown-Phase (in der die Wirtschaft weiterhin auf einem Vor-Krisen-Level liegt) ergeben sich insgesamt 6 Szenarien. Die Autoren betrachten die Folgen für einen ein-, zwei- und dreimonatigen Shutdown, wodurch insgesamt 18 Szenarien entstehen. Die volkswirtschaftlichen Kosten werden dabei mit bis zu 729 Mrd. Euro Wertschöpfungsverlust in Deutschland bei einem 3-monatigen Shutdown und einer 4-monatigen Post-Shutdown-Phase beziffert. Heruntergebrochen auf einen einzelnen Erwerbstätigen bedeutet dies einen Verlust von rund 16.000 Euro. Selbst bei einem einmonatigen Shutdown mit einem „niedrigen“ Einbruch der Produktivität (um 40,4%) und einem einmonatigen Post-Shutdown gehen die Autoren von 180 Mrd. Euro aus. Das entspricht einem Einbruch der Wachstumsrate von 5,1%.

Weiters wurden die Kosten einer Verlängerung des Shutdowns berechnet: So kostet jede weitere Woche zwischen 28 und 57 Mrd. Euro.

Fazit

Die beiden vorgestellten Artikel machen die wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Maßnahmen greifbar und helfen, diese ganzheitlich betrachten zu können. Eines wird dabei jedoch klar: Eine langfristige Aufrechterhaltung der Maßnahmen ist kaum leistbar, ohne die Wirtschaft nachhaltig zu schädigen. Der heute von der österreichischen Regierung präsentierte Fahrplan zur Wiederbelebung der Wirtschaft unterstützt diese Annahme; ein guter Mittelweg zwischen dem Schutz der Bevölkerung und dem Aufrechterhalten der Wirtschaft muss gefunden werden. Bis dieser Fahrplan greift, gehen noch einige Wochen ins Land. Unternehmer sollten gerade in einer solchen Situation Weitblick beweisen und für die Zeit nach der Krise planen und vorbereitet sein. Unsere Teilnehmer waren sich hier einig: Die Krise wird das wirtschaftliche Gefüge grundlegend durcheinanderbringen. Wer sich bereits auf die Zeit danach vorbereitet, hat jedoch gute Chancen, gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen.

Kontakt

Mag. Bernd Postai

Partner und Managing Director

Kontaktdaten

+43 5523 69 175
bernd.postai@poesis.at

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